VERANSTALTUNG: MARX STATT KLASSENKAMPF? ZUR KRITIK DES STRUKTURMARXISMUS

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Kaum versuchen Linke heute, öffentlichkeitswirksam Proteste gegen die kapitalistische Gesellschaft und ihre eklatante Widerspruchsentwicklung zu organisieren, werden sie nicht nur von bürgerlichen Medien, sondern auch von diversen Marx-Interpreten angegriffen. Per se sei ihre Kritik des Kapitalismus „personalisiert“ und mindestens „verkürzt“, wenn nicht gar „strukturell antisemitisch“. Aktuellstes Beispiel ist die Occupy-Bewegung, aber auch Anti-G8- und Bildunsprotesten ging es schon so.

Richtig ist: Antikapitalismus braucht die Marx’sche Kritik der politischen Ökonomie. Daher ist es eine erfreuliche Entwicklung, dass im Zuge der gegenwärtigen Krise des Kapitalismus eine neue Bewegung der Kapital-Lektüre entstanden ist. Doch wie und warum Marx gelesen wird, ist eine Frage ums Ganze. Einer ganzen Reihe von Vertretern der Neuen Marx-Lektüre wie Ingo Elbe oder Michael Heinrich geht es nicht darum, die Artikulation von Gesellschaftskritik theoretisch zu fundieren. Sie sind vielmehr vorrangig damit beschäftigt, die Marxismus-Interessierten in ein Labyrinth weltloser Exegese zu führen. Im Resultat wird Marx ohne die elfte Feuerbachthese, also ohne die Perspektive der Gesellschaftsveränderung, interpretiert und propagiert.

Ob beabsichtigt oder nicht: Die Aufmerksamkeit wird dabei systematisch vom Blick auf die aktuellen Ausbeutungsstrukturen und Klassenverhältnisse abgelenkt. So manche Absolventen (vornehmlich universitärer) Kapital-Kurse mögen sich verwundert die Augen reiben, weil von diesen Dingen kaum die Rede war. Aber dies ist der Reflexionshorizont des Marx’schen Denkens, der sich jedem erschließt, der das Kapital ganz und mit offenen Augen liest. Marx ist gegen das Ausbeutungssystem, weil es den qualitativen Lebensansprüchen der Arbeitenden entgegensteht und es um den Preis zunehmender zivilisatorischer Verfallstendenzen künstlich am Leben erhalten wird.

Blendet die Marx-Exegese diese Perspektive aus, und produziert sie stattdessen weiterhin bürgerliche Kritik an linken Bewegungen in marxistischem Gewand, macht sie sich zum Erfüllungsgehilfen jener, die an der Fortexistenz der kapitalistischen Ausbeutung ein vitales Interesse haben.

Referieren wird Werner Seppmann, der u.a. im Vorstand der Marx-Engels-Stiftung (Wuppertal) tätig ist. Er ist Autor des Buches “Subjekt und System”, das dieses Jahr erneut herausgegeben wurde (Laika Verlag).

VERANSTALTUNG:
Mittwoch, 7. Dezember 2011, 19.30 Uhr
MAGDA-THÜREY-ZENTRUM (MTZ)
Lindenallee 72 (Hamburg-Eimsbüttel)