1. Mai-Rede: Klassenkampf für die Befreiung von Mensch und Tier!

Klassenkampf für die Befreiung von Mensch und Tier!
Resümee des revolutionären Mai-Wochenendes in Hamburg

Die Aktivitäten des „Revolutionären 1.Mai-Bündnisses“ am 1. Mai (Demonstration in Altona und St. Pauli) und 2. Mai („Klassenfest gegen Staat und Kapital“) waren ein Erfolg.

Die Beteiligung an beiden Tagen war unerwartet hoch. An der Demonstration nahmen rund 1.500 Personen teil, und das HipHop-Konzert im Hamburger Schanzenviertel besuchten – über den Tag verteilt – ebenso viele ZuschauerInnen . Im Aufruf, bei der Demonstration und auch beim Konzert wurde die politische Breite des Klassenkampfs von unten abgebildet. Der Kampf beginnt im Betrieb und richtet sich gegen das Lohnsystem. Gleichwohl sind die gewalttätige und stetig wachsende Ausbeutung der Natur und der Tiere, die imperialistische Kriegs- und die Flüchtlingspolitik der Metropolen, die Wohnungsfrage oder die Standortpolitik der Stadt, wie im Fall von Elbphilharmonie und Olympia, Klassenfragen, die auch als solche gestellt werden müssen.

Das „Revolutionäre 1.Mai-Bündnis“ hat sowohl die Wurzel des Übels, den Kapitalismus, als auch die Alternative, die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise durch eine (öko)sozialistische Revolution, beim Namen genannt. Die zentrale Parole des Bündnisses „Hamburg sieht rot! Armut, Ausbeutung und Krieg haben System!“, war also richtig gewählt.

Als ökomarxistische Organisation haben wir die Unterdrückung und Ausbeutung der Tiere durch die KapitalistInnen der Fleischindustrie als Klassenfrage thematisiert, indem wir z.B. am 1. und 2. Mai Ausgaben der Zeitung „Antidot“ zum Thema „Marxismus und Tierbefreiung“ verteilt haben. Ferner haben wir mit einem Transparent für die Enteignung der Fleischindustrie mit revolutionärer Perspektive agitiert.

Der Erfolg der diesjährigen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ und des „Klassenfests“ kann angesichts der politischen und intellektuellen Positionen der Hamburger Linken und auch des Zustandes des „Revolutionären 1. Mai-Bündnisses“ noch zu Beginn des Jahres nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Ein Großteil der Hamburger Linken vertritt keine klassenkämpferischen und erst recht keine revolutionären Positionen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil denunziert diese sogar als ideologisch (wahlweise als „orthodox“, „traditionsmarxistisch“, „verkürzt“, „strukturell antisemitisch“ usw.). Ein anderer begnügt sich mit sozialreformerischem Interventionismus, der revolutionäre Realpolitik in sozialdemokratischer Tradition auf reine Realpolitik verkürzt.

Auch das „Revolutionäre 1. Mai-Bündnis“ ist in keinem formidablen Zustand, nachdem es in den Vorjahren durch ungerechtfertigte Alleinvertretungsansprüche einzelner Gruppierungen und inhaltliche Beschneidung zu einer Spaltung gekommen ist. Wir haben diese nicht gewollt und halten sie weiterhin auch politisch für falsch. Nichtsdestotrotz hat das Bündnis in diesem Jahr solidarisch zusammengearbeitet und eine gute Grundlage für das nächste Jahr geschaffen.

Wir dokumentieren abschließend unseren Redebeitrag, der während der Demonstration gehalten wurde:

 

Liebe Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde!

In kapitalistischen Gesellschaften werden die beiden Springquellen gesellschaftlichen Reichtums untergraben – die ArbeiterInnen und die Natur. Es ist sozialdemokratische Ideologie, dass die Arbeit allein Reichtum erzeuge. Das hat Karl Marx bereits vor 150 Jahren erkannt. Und trotzdem bleibt das auch heute noch vielen aufrichtigen Linken verborgen: Die Natur – die Tiere inbegriffen – ist ebenfalls eine unverzichtbare Quelle der Gebrauchswerte. Wer meint, durch die ungebrochene Entwicklung der Produktivkräfte auf Kosten der Natur in die befreite Gesellschaft zu kommen, irrt nicht nur gewaltig. Er spielt auch den KapitalistInnen in die Hände. Die gesamte Zivilisationsgeschichte ist ein Beleg dafür, dass die Unterjochung der Natur kein Heilsbringer war, sondern die Herrschaft des Menschen über den Menschen auf die Spitze getrieben hat.

Das ist auch heute nicht anders. Wirtschaftswachstum ist im Kapitalismus gleichbedeutend mit einer verschärften Ausbeutung der ArbeiterInnen und der Natur. Kein Profit ohne organisierte Zerstörung der arbeitenden Bevölkerung, der Marginalisierten und der Natur.

Wir brauchen daher auch keine ökologische Modernisierung des Kapitalismus, keinen „Green New Deal“ und keinen Pakt zwischen „Ökonomie und Ökologie“, wie sie den Grünen und den anderen Strömungen des bürgerlichen Einparteiensystems vorschweben. Aber ebenso wenig können wir die bisherige technologische Entwicklung ungebrochen fortsetzen. Stattdessen müssen wir neue Produktionsverhältnisse erkämpfen, die frei sind vom Diktat des Kapitals. Qualitativ neue Beziehungen der Menschen zu den Menschen und zur Natur sind nötig.

Nur dann kann es eine Gesellschaft geben, in der die freie Entfaltung eines jeden die Bedingung für die freie Entfaltung aller ist. Nur dann ist die Versöhnung der Gesellschaft mit der Natur möglich.

Wenn wir also heute hier auf die Straße gehen, an die Geschichte des kämpfenden Proletariats erinnern und unsere Kolleginnen und Kollegen auffordern, sich am unausweichlichen Kampf zwischen den Klassen zu beteiligen, müssen wir uns klar machen, dass die ökologischen Zerstörungen auf der ganzen Welt Klassenfragen sind.
Die Katastrophe in Fukushima, die Havarie der Deep Water Horizon im Golf von Mexiko oder der alltägliche Mord an Millionen Tieren in der Fleischindustrie – das sind Klassenfragen.

Der Kampf für die Befreiung der Tiere und gegen die Vernichtung der Natur ist Teil des Klassenkampfs. Die Herrschenden haben das längst begriffen. Sie haben verstanden, dass die Tierbefreiungs- und die Umweltbewegung den Kapitalismus mitten ins Herz treffen, wenn sie den systematischen Raubbau an der Natur angreifen. Seit Jahren verfolgen daher Konzernbosse, LobbyistInnen und staatliche Behörden Umwelt- und Tierrechtsaktivisten mit den allerschärfsten Mitteln.

Diese Offensive der herrschenden Klasse kommt nicht von ungefähr. Gerade in Zeiten der größten Krise der kapitalistischen Gesellschaft seit 1929 sind Politik und Ökonomie auf der Suche nach einem Ausweg, nach neuen Feldern der Investition und Akkumulation von Kapital. Die Inwertsetzung der Natur und die Umstellung der Energieproduktion sind zwei hervorstechende Möglichkeiten, nach der massenhaften Vernichtung von Kapital in den letzten Jahren wieder aus Geld mehr Geld zu machen. Die ökologische Modernisierung der kapitalistischen Produktionsweise besitzt das Potential, angeblich „grüne“ Unternehmen vorübergehend zu den Profiteuren eines neuen Aufschwungs zu machen. Neue Märkte und – falsche – Bedürfnisse werden geschaffen, um aus der Krise herauszukommen. Dabei werden letztlich nur noch gewaltigere Krisen vorbereitet und der Spielraum vermindert, weiteren Krisen vorzubeugen.

Wenn wir also wollen, dass das Leiden aller Kreaturen endlich ein Ende hat, dass nicht das Leben und die Bedürfnisse der ArbeiterInnen weltweit verstümmelt und Natur und Tier von der Erdoberfläche ausradiert werden, kommen wir nicht umhin, die Frage nach den realen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen und ihrer Veränderung zu stellen.
Nur wenn wir den Klassenkampf annehmen und verstehen, dass er keine Engführung auf Lohnfragen erlaubt, sondern an allen Punkten unserer Gesellschaft entfacht werden muss, besteht die Chance auf ein besseres Leben für alle leidensfähigen Individuen.

Kapitalismus bedeutet Ausbeutung von Mensch und Natur. Wollen wir ein Ende der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen, Tieren und Natur, müssen wir eine Bewegung aufbauen, die den Klassenkampf von unten überall in der Gesellschaft führt. Und zwar nicht nur für ein paar soziale oder ökologische Reformen, sondern für eine ökosozialistische Revolution.

Für die Befreiung von Mensch und Tier! Für einen antikapitalistischen ersten Mai!