Am 10. Januar 2016 fanden sich in Berlin rund 14.000 Personen zusammen, um an der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration zum Friedhof der Sozialisten teilzunehmen. Wie jedes Jahr versammelten sich marxistische Linke aus dem gesamten Bundesgebiet, um den KommunistInnen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken, die auf Befehl des Sozialdemokraten Gustav Noske 1919 ermordet worden waren. In der Tradition der beiden Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) ergriffen die DemonstrantInnen, unter denen sich auch zahlreiche Menschen aus anderen europäischen Staaten befanden, lautstark mit klassenkämpferischen Parolen Partei gegen Krieg und Militarismus.
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gehörten beide dem revolutionären Flügel der deutschen Linken an. Sie kämpften konsequent gegen die herrschende Klasse, gegen Militarismus und Imperialismus und verweigerten der Sozialdemokratie die Gefolgschaft, als sie den Schulterschluss mit dem Kapital suchte.
In Zeiten, in denen die Bundesregierung wieder unverhohlen auf den Schlachtfeldern der Welt mitmischt, SPD-SozialdemokratInnen in der Ukraine FaschistInnen unterstützen sowie unverbrüchlich an der Sozialpartnerschaft mit den KapitalistInnen festhalten und die deutsche Linke mehrheitlich zu Krieg und Klassenherrschaft schweigt, ist es dringlicher denn je, für die Positionen einzutreten, für die Luxemburg und Liebknecht bis heute stehen.
Wir nahmen allerdings nicht nur aus diesem Grund gemeinsam mit unseren GenossInnen der Tierrechtsgruppe Zürich und anderen GenossInnen, die heute für die Befreiung der Menschen und Tiere streiten, an der Gedenkdemonstration teil. Mit einem eigenen Transparent, Fahnen und einem Flugblatt, das wir nachfolgend dokumentieren, machten wir darauf aufmerksam, dass Rosa Luxemburgs Solidarität allen Verdammten dieser Erde gegolten hat – auch den Tieren. Luxemburg hat erahnt, was heute ersichtlich ist: dass die gemeinsame Ursache für die Ausbeutung von Mensch, Natur und Tieren, für Krieg und Militarismus der Kapitalismus ist.
Januar 2016,
Assoziation Dämmerung
»Rücksichtsloseste revolutionäre Tatkraft und weitherzigste Menschlichkeit, dies allein ist der wahre Odem des Sozialismus. Eine Welt muß umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, obwohl sie abgewischt werden konnte, ist eine Anklage; und ein zu wichtigem Tun eilender Mensch, der aus roher Unachtsamkeit einen Wurm zertritt, begeht ein Verbrechen.«
– Rosa Luxemburg
Der Name Rosa Luxemburg steht für Positionen, die heute so notwendig sind wie lange nicht: Gegen faule Kompromisse mit der Bourgeoisie, für eine konsequent antiimperialistische Friedenspolitik und Vereinigung aller Kommunistinnen und Kommunisten. Ihre Standpunkte sind jedoch auch untrennbar mit dem verbunden, was Luxemburgs »weitherzigste Menschlichkeit« antrieb: Eine tiefe und unverbrüchliche Solidarität mit den Leidenden, die auch die Tiere einschloss.
AUSGEBEUTET UND GETÖTET FÜR PROFITE
Anders als Rosa Luxemburg kennt der Kapitalismus Tiere bloß als Produktionsmittel für Milch oder Fleisch und als Arbeits- und Gebrauchsgegenstände. Allein in Deutschland wurden 2014 rund 59 Millionen Schweine, 3,5 Mio. Rinder und knapp 990.000 Schafe für die Profite der Fleischindustrie gezüchtet, unter schrecklichen Bedingungen gehalten und geschlachtet. In Zoos und Zirkussen müssen Tiere zur Belustigung herhalten, die Bekleidungsindustrie tötet sie für die Leder- und Pelzproduktion. Weitere Millionen werden in Tierversuchen gnadenlos verheizt, als Sportgeräte und von der Unterhaltungsindustrie missbraucht. All das, obwohl hinlänglich bekannt ist, dass Tiere leidensfähige Individuen sind.
Vermeintlich »grüner« Konsum liegt zwar im Trend, dennoch steigt der Verbrauch von Lebensmitteln tierischer Herkunft weiter an – eine objektiv irrationale Entwicklung: Es werden in einem untragbaren Maß Ressourcen verschwendet, Tropenwälder und Böden zerstört, die Luft verpestet und das Grundwasser vergiftet. Die Fleischindustrie ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels.
VERWERTUNG VON ARBEITSKRAFT, TIEREN UND NATUR
All das passiert nicht, weil »die Menschen« bloß moralisch falsch über »die Tiere« denken, sondern weil an deren Verwertung handfeste ökonomische Interessen bestehen: Der deutsche Fleischmarkt sichert wenigen Oligopolisten wie Tönnies, Westfleisch oder Vion Milliardenprofite. Intensive Lobbyarbeit und ausgeklügelte Werbestrategien sorgen für die ideologische Verschleierung des mörderischen Geschäfts.
Die Profitgier der Fleisch-Magnaten vernichtet nicht nur Tiere und ruiniert die Natur. Die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen sind prekär, die vorwiegend migrantischen Arbeiterinnen und Arbeiter schuften für skandalöse Hungerlöhne. Leiharbeit und befristete Verträge sind die Regel, gewerkschaftliche Organisation wird unterdrückt. In der Fleischindustrie wird die Herrschaft des Kapitals über Tier, Natur und Mensch besonders deutlich: Sie alle sind nur noch Bestandteile der Kapitalverwertung und werden ohne Rücksicht auf Verluste vernutzt.
Die Ausbeutung von Arbeitskraft, Tieren und der Natur steht im Zentrum der Klassenfrage. Die industrielle Tierausbeutung gehört zu den zentralen Problemen. Klassenkampf muss im Interesse aller organisiert werden, die unter der Herrschaft des Kapitals zu leiden haben. Er ist unvollständig, wenn er nicht die Forderung eines fundamentalen Wandels im Verhältnis der Gesellschaft zu den Tieren beinhaltet.
REVOLUTIONÄRE MORAL
Doch selbst unter vermeintlich aufgeklärten Genossinnen und Genossen gilt die Forderung nach der Befreiung der Tiere oft als kleinbürgerlicher Moralismus, als sentimentaler Fimmel von Kostverächtern, die sich lieber ernsteren Problemen zuwenden sollten. Die Ignoranz gegenüber dem Leid der Tiere ist jedoch ein Relikt des bürgerlichen Idealismus und zutiefst antimarxistisch.
Wer Marx‘ und Engels Erkenntnisse des historischen Materialismus ernst nimmt, muss realisieren, dass Mensch und Tier eine gemeinsame Geschichte haben und die individuelle Existenz jedes Menschen und jedes Tieres an einen quälbaren Körper gebunden ist. Der erste Antrieb revolutionären Handelns sind nicht theoretische Einsichten oder kritische Gesellschaftsanalysen, sondern ein solidarischer Impuls, der dazu drängt, erfahrenes Leid abschaffen zu wollen. Dass es zwischen Menschen und Tieren dennoch gravierende Unterschiede gibt, ist nicht zu leugnen. Es gibt aber kein historisch-materialistisches Argument dafür, das Leid der Tiere nicht ebenso abzuschaffen wie unser eigenes. Kommunistinnen und Kommunisten darf keine von Naturentfremdung oder sozialdarwinistischen Prinzipien geleitete bürgerliche, sondern sie muss eine revolutionäre Moral antreiben – und es gibt keinen vernünftigen Grund, die Tiere von dieser auszuschließen. So dachte und handelte auch Rosa Luxemburg, derer wir heute gedenken.
AUSBEUTER ENTEIGNEN! KAPITALISMUS ABSCHAFFEN!
Die gegenwärtige politische Entwicklung drängt zu Klarheit und Einheit der antikapitalistischen Kräfte. Die revolutionäre Moral Rosa Luxemburgs muss die Grundlage einer solchen Verständigung und Zusammenarbeit sein. Auf der Jagd nach Profiten verheizt die Bourgeoisie Arbeiter, Natur und Tiere. Die Arbeiter-, die Ökologie- und die Tierbefreiungsbewegung müssen gemeinsam kämpfen – sie haben denselben Gegner.
Wir müssen den Imperialismus daran hindern, die Welt erneut in ein gigantisches Schlachtfeld und Massengrab zu verwandeln. Ebenso müssen wir die Schlachthäuser beseitigen, in denen Tag für Tag Millionen leidensfähiger Individuen umgebracht und zur Ware verdinglicht werden.
Marxistinnen und Marxisten für die Befreiung der Tiere
Kontakt:
Assoziation Dämmerung
assoziation-daemmerung.de
Tierrechtsgruppe Zürich
tierrechtsgruppe-zh.ch