Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde!
Spätestens seit Rot-Grün entwickelte sich die Bundesrepublik wie kein anderes imperialistisches Land zum Niedriglohnstandort. Leiharbeit, Werkverträge, befristete Arbeitsverträge und weitere fragwürdige Beschäftigungsformen bestimmen den Alltag zahlreicher Arbeiterinnen und Arbeiter. Der neoliberal radikalisierte Kapitalismus treibt die Spaltung und Vereinzelung der Beschäftigten voran und erschwert kollektiven Protest und gemeinsame Organisation. Umso skandalöser ist daher die dramatisch passive Haltung der DGB-Gewerkschaften. Faule Kompromisse mit der Bourgeoisie und eine Arbeiteraristokratie, die es sich im Windschatten der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsbosse gemütlich macht, verschlechtern die Bedingungen für den Klassenkampf.
Kurzum: Die Situation der arbeitenden Klasse hierzulande ist miserabel. Aber der Kampf für den Sozialismus kann nicht nur auf ihre Befreiung beschränkt werden, denn nicht nur die Lage des Proletariats verschlechtert sich dramatisch. In kapitalistischen Gesellschaften wird neben der Arbeitskraft schließlich auch die Natur – einschließlich der Tiere – rücksichtslos ausgebeutet. Auf der Jagd nach Profiten zerstört die Bourgeoisie die natürlichen Lebensgrundlagen der ganzen Menschheit.
Der Kapitalismus braucht ökonomisches Wachstum um fortzubestehen – diese Erkenntnis hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Gleichzeitig bedeutet dieses Wachstum eine verschärfte Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Natur. Das Kapital, schrieb Marx, untergräbt die Springquellen des Reichtums – die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie die Erde.
Vereinbarungen wie das Pariser Klimaabkommen, das „Kyoto-Protokoll“ oder die UN-Klimakonvention sind zwar zaghafte Versuche, den systematischen Ökozid einzudämmen und zu mildern. Dennoch gaukeln diese Verträge uns die Rettung des Planeten nur vor. Sie beruhen auf völliger Freiwilligkeit und enthalten keinerlei Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen. Zudem nähren sie die Illusion, dass bürgerliche Staaten und Kapitalisten ein ernsthaftes Interesse daran hätten, die Natur nicht aus ökonomischen Gründen zu ruinieren. Es hat in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so viele Verträge zum Umweltschutz wie heute gegeben. Und trotzdem verschmutzen die Konzerne die Natur auf einem noch nie dagewesenen Niveau.
Ein grüner Kapitalismus wäre ein Widerspruch in sich. Solange Reformen nur auf eine ökologische Transformation des Kapitalismus abzielen, werden die Kapitalisten nicht daran gehindert, ihre Profite mit dem organisierten Verschleiß der arbeitenden Bevölkerung sowie der Natur und der Vernichtung von Milliarden von Tieren zu erwirtschaften. Für die Befreiung des Proletariats und der Natur müssen wir daher neue Produktionsverhältnisse erkämpfen, die wirklich mit den Gesetzesmäßigkeiten des Kapitalismus brechen.
Es ist unsere Aufgabe, uns und unseren Kolleginnen und Kollegen am 1. Mai und auch sonst im Alltag bewusst zu machen, dass die Arbeiterklasse und die Natur den selben Feind haben: das Kapital.
Doch unser Kampf ist unvollständig, wenn er nicht auch die Situation der Tiere mit in den Blick nimmt, die von den Fleisch-Konzernen millionenfach gequält und verheizt werden, um als verseuchtes Billigfleisch auf den Tellern der Arbeiterklasse zu landen. Keine Industrie versinnbildlicht die Herrschaft der Bourgeoisie über das Proletariat, die Natur und die Tiere so deutlich wie die Fleischindustrie. Das Kapital produziert das Leid und das Elend der arbeitenden Klasse mit der selben Notwendigkeit wie es das Leid und das Elend der Tiere produziert. Für revolutionäre Marxistinnen und Marxisten gibt es daher keinen Grund, die Tiere nicht ebenso von der Herrschaft der Bourgeoisie befreien zu wollen wie die Arbeiterklasse.
Für einen Großteil der antikapitalistischen Linken haben Gesellschaftskritik und Tierbefreiung jedoch nichts miteinander zu tun. Nicht wenige halten den Ruf nach der Befreiung der Tiere für kleinbürgerlichen Moralismus. Aber wenn man die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern will, weil sie systematisch Leid produzieren, dann ist das kein Moralismus. Denn die revolutionäre Moral, die wir brauchen, strebt danach, den Ausgebeuteten und den Unterdrückten zur Organisierung und Entfesselung des Klassenkampfes von unten zu verhelfen. Sie ist der Motor, der den Kampf um Befreiung antreibt. Wenn wir die Befreiung der Arbeiterklasse erkämpfen wollen, müssen wir gegenüber der Natur und den Tieren eine andere Haltung einnehmen, als bürgerliche Ideologie und bürgerliche Moral es uns lehren wollen. Stellen wir der Moral der Herrschenden die Moral der Unterdrückten entgegen!
Es sollte also klar sein: Die Bourgeoisie lässt sich einerseits nicht mit moralischen Phrasen bekämpfen, sondern nur durch organisierte antikapitalistische Kräfte. Andererseits gibt es dabei kein Argument, das dem gemeinsamen Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse und der Tiere entgegensteht.
Die Ausbeutung der Arbeiter, der Tiere und der Natur sind Klassenfragen – sie bilden die Grundlage des Kapitalismus. Bauen wir eine klassenbewusste Bewegung auf, die es ernst meint mit einer befreiten Gesellschaft und die den Kampf um die natürlichen Lebensgrundlagen der menschlichen Gattung als zentralen Bestandteil antikapitalistischer Politik begreift. Beschränken wir uns nicht auf rot-grüne Reformen und Illusionen. Kämpfen wir für eine ökosozialistische Revolution!
Auch die Natur wartet auf die Revolution!
Für Klassenkampf und Tierbefreiung!
Für einen kämpferischen, revolutionären 1. Mai!