In den Jahren vor dem Anbruch der „Nacht der Menschheit“ (des deutschen Faschismus) schrieb der marxistische Philosoph und Mitbegründer der Kritischen Theorie Max Horkheimer eine Reihe von Aphorismen. Sie handelten vom Siegeszug des Imperialismus, der Barbarei der Schlachthöfe, der systematischen Ideologisierung des Menschen und der Verbürgerlichung des Marxismus im fortgeschrittenen Kapitalismus.
In der erstmals 1934 unter dem Titel „Dämmerung. Notizen in Deutschland“ veröffentlichten Sammlung von Textfragmenten ist zu erfahren: Bereits in den 1920er-Jahren bestand das Problem, dass die herrschende Klasse die Verfügungsgewalt über eines der wichtigsten Mittel für die Gegenwehr der Unterdrückten an sich gerissen und die Definitionsmacht über die Begriffe erlangt hatte, die die Unterklasse braucht, um ihre Unfreiheit, ihr Elend und ihre Not auszudrücken. Nicht zuletzt „die Übersetzung des Marxismus in den akademischen Stil wirkte im Nachkriegsdeutschland als ein Schritt, den Willen der Arbeiter zum Kampf gegen den Kapitalismus zu brechen“, stellte Horkheimer erschüttert fest. Eine gravierende Folge sei die Ideologisierung des Ideologiebegriffs. Diesen hätte Karl Marx „als unterirdische Sprengmine gegen die Lügengebäude der offiziellen Wissenschaft benutzt. Seine Verachtung der gewollten und halbgewollten, instinktiven und überlegten, bezahlten und unbezahlten Verschleierung der Ausbeutung, auf der das kapitalistische System beruht, lag in diesem Begriff“, klagte Horkheimer an. „Jetzt haben sie ihn sauber formuliert als Relativität der Erkenntnis, als Historizität geisteswissenschaftlicher Theorien und anderes mehr. Seine Gefährlichkeit hat er eingebüßt.“
Heute, in einer Zeit, in der sich mehr und mehr „Ideologiekritiker“ als die perfidesten Ideologen im Dienste des Kapitals erweisen, hat sich diese Entwicklung dramatisch perfektioniert und zugespitzt. Das hat seinen Grund in den Widersprüchen des Kapitalismus, der aggressiver wird und wieder einmal droht, jeden und alles in den Abgrund eines verheerenden Weltenbrandes zu reißen. Je mehr die Tyrannei der Minderheit der herrschenden Klasse zunimmt, je skrupelloser ihre kriminellen Machenschaften, desto dichter der Nebel, durch den die leidende Mehrheit vom Licht für den Widerstand notwendiger Erkenntnisse abgeschottet wird – beispielsweise der, dass es emanzipatorische Gleichheit und Gerechtigkeit in einer Klassengesellschaft nicht geben kann. „Die Verbreitung von Dunkelheit war stets ein Mittel in der Hand der Reaktion“, schrieb Horkheimer damals.
Zurzeit herrscht (wieder) Dämmerung. Der demokratische Rechtsstaat erodiert – in welche Form bürgerlicher Herrschaft diese Entwicklung münden wird, ist ungewiss. Fakt ist aber: Ein neoimperialistischer Krieg und ein Terroralarm folgt dem nächsten. Elementare Freiheitsrechte werden nach und nach entzogen. Ein rigoroser Sozialabbau hat die Verelendung der Massen gezeitigt. Die Flüchtlinge aus den Armenhäusern dieser Welt sind staatlicher Verfolgung, Diskriminierung und Schikanen ausgesetzt. Die Enttabuisierung von Folter und anderer Methoden der Menschenschinderei hat Konjunktur in der „westlichen Zivilisation“. Tiere und Natur werden gleichzeitig zur totalen Verwertung und Vernichtung freigegeben. Faschistische Banden können immer ungehinderter Gewaltverbrechen begehen.
Die Dämmerung kann die Vorstufe zur totalen Finsternis sein. Aber sie ist stets auch ein Gefahrensignal, das noch die Möglichkeit des kollektiven Erwachens und der Lösung aus der Starre politischer Passivität und Resignation birgt. In der Geschichte sei es Menschen schon gelungen, die „Dämmerung zum Anbruch eines Tages zu machen“, äußerte Horkheimer damals eine Hoffnung. Unser Projekt soll dazu beitragen, dass sie endlich dauerhaft in Erfüllung geht…
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Die Assoziation Dämmerung wurde im Sommer 2011 in Hamburg gegründet und setzt die Arbeit der Gruppe Tierrechts-Aktion-Nord (TAN) unter neuem Namen fort. Gegenstand unserer Arbeit und Kritik ist vor allem die kapitalistisch verfasste Gesellschaft, insbesondere ihr Verhältnis zur Natur und zu den Tieren. Wir orientieren uns dabei an der Kritischen Theorie der „Frankfurter Schule“ und versuchen eine kritische Wiederaneignung des traditionellen Marxismus. In loser Abfolge organisieren wir darum Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen und versuchen darüber hinaus, eine antikapitalistische Praxis durch politische Interventionen und Bündnisarbeit zu entwickeln.
Tierrechts-Aktion-Nord wurde 1987 als eine der ersten linksradikalen Tierrechtsgruppen Deutschlands gegründet. Ein wesentlicher Teil der politischen Arbeit von TAN war bis zuletzt die Beteiligung an Kampagnen gegen die industrielle Ausbeutung und Massentötung von Tieren. Zudem hatte sich TAN auch immer darum bemüht, die Kritik des Mensch-Tier-Verhältnisses theoretisch zu unterfüttern. Dazu wurden mehrere Broschüren veröffentlicht und 2006 eine Tagung zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Tierbefreiung organisiert, deren Beiträge in dem Sammelband „Das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen“ erschienen sind.
Umbenannt und neu ausgerichtet haben wir uns schließlich, um unserer eigenen Entwicklung in Theorie und Praxis besser gerecht zu werden, und wir ziehen damit auch die Konsequenz aus einer Kritik an den einseitigen Politikkonzepten der „radikalen“ Linken und der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung. Das Projekt Tierrechts-Aktion-Nord ist darum weder beendet noch gescheitert. Wir haben einen Schritt aus der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung heraus getan, aber explizit nicht mit ihr gebrochen. Unsere genauen Beweggründe und Vorstellungen haben wir in unserem Gründungstext „Gesellschaftstheorie, Ideologiekritik und Klassenkampf“ festgehalten, der auf dieser Webseite in Deutsch, Englisch und Französisch zu finden ist.
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Unser Gründungstext vom August 2011 kann hier gelesen werden:
»GESELLSCHAFTSTHEORIE, IDEOLOGIEKRITIK UND KLASSENKAMPF«
Download: PDF-Version des Gründungstextes (1.1 MB)
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Eine englische Übersetzung des Textes ist hier zu finden.
Read the english translation of our manifesto here:
»SOCIAL THEORY, IDEOLOGY CRITIQUE AND CLASS STRUGGLE«
Download our layouted Manifesto here:
Social Theory, Ideology Critique and Class Struggle (PDF, 2.6 MB)
Read here, why we’re named “Assoziation Dämmerung”: Dämmerung (english).
Eine französische Übersetzung des Textes ist hier zu finden.
Une traduction française du texte peut être trouvé ici:
»THÉORIE SOCIALE, CRITIQUE DE L’IDÉOLOGIE ET LUTTE DE CLASSE«
(Für die Übersetzung bedanken wir uns bei der französischen Gruppe la Terre d’abord!)
Téléchargez une version PDF de notre texte ici:
Théorie Sociale, Critique de l’Idéologie et Lutte de Classe (PDF, 2.7 MB)
Am 27. August 2011 fand in Hamburg eine Veranstaltung statt, auf der wir unseren Transformationsprozess vorgestellt und mit Interessierten aus der Tierbefreiungsbewegung diskutiert haben. Die »Antispeziesistische Aktion Tübingen« hat einen ausführlichen Bericht für ihre Homepage verfasst:
Antispe Tübingen: »Gesellschaftstheorie, Ideologiekritik und Klassenkampf«
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